Auf einem Großplakat prankt in der Münchner U-Bahn die Drohung „60 € Bußgeld und die Blamage vor der versammelten Fahrgastgemeinschaft“: Wehe dem Schwarzfahrer.
Widerlich, pfui so ein Betrüger! Ein Schmarotzer, ein Gangster. Schließlich zahlen wir anderen auch. Auf unsere Kosten sich von A nach B befördern zu lassen, welch eine Unverfrorenheit.
Am nächsten Tag stehe ich vor dem Fahrkartenautomaten. Ich habe einen Termin. einen sehr wichtigen. Mein Geld wird geschluckt. Die Fahrkarte bleibt aus. Ach, entfährt es mir. Ansonsten hält sich mein Ärger noch in Grenzen. Der nächste Automat will mein Geld nicht. Er spuckt es immer wieder aus. Was ist das denn? Ein Blick zur Uhr. Mein Ärger wird etwas ärger. Es geht aber noch.
Der dritte Automat hat einen verstopften Einwurfschlitz. Geht’s noch?!?! Alle kaputt, sagt ein junger Mann zu mir. Aha! Und jetzt? Keine Fahrkarte, keine Fahrt! So einfach ist das.
Mein Handy habe ich auch vergessen. Jetzt mal ganz ruhig, denke ich. Geld für ein Taxi? Fehlanzeige. Warum habe ich bloß immer Angst, überfallen zu werden?!? Noch nie hat mich ein Räuber niedergestreckt und mein Portemonnai an sich gerissen. So langsam steigert sich meine Wut. Ich muss irgendwie zu meinem Termin. Noch ein paar Versuche an den Automaten, natürlich außer an dem, der Geld frisst ohne Gegenleistung.
Vor meinem geistigen Auge sehe ich mich vor ca. 20 Jahren an einem Zigarettenautomaten stehen. Es ist spät abends, die Freundesrunde zu Hause lustig bloß die Zigaretten fehlen. Die zwei DM kommen immer wieder raus. Geänderte Reihenfolge, recht gedreht, links gedreht, ohne Erfolg. Der Blick wird hektisch, irgendwo noch ein weiterer Automat? Nein. Erneute Versuche, Schläge mit der Hand, dann bleibt eine Mark drin. Weitere Schläge, Beleidigungen des Automaten, Tritte von unten, die mich fast zu Boden stürzen lassen. Dann ziehe ich in größter Not meinen Schuh aus und hämmere wie wild auf den verfluchten, mich so um mein Geld bringenden Automaten. Du bist nichts als eine seelenlose Maschine. Du hast mir zu Diensten zu sein. Raus mit den Zigaretten oder der Mark. Das Fahrzeug mit den grünen Streifen sehe ich nicht und die netten jungen Männer, die rechts und links neben mich treten, blaffe ich an. Auch Zigaretten? Könnt Ihr vergessen, das verdammte Ding ist kaputt!
Haarscharf komme ich an einer Anzeige vorbei. In der Nacht habe ich mit dem Rauchen aufgehört.
Aber mit den Automaten stehe ich nach wie vor auf Kriegsfuß. Und was gibt es inzwischen nicht alles für Automaten! Geldautomaten, die Scheckkarten fressen, bevorzugt, wenn die Banken geschlossen haben. Getränkeautomaten, die sich großzügigst am Geldbörseninhalt bedienen und den Spender verdursten lassen und in völliger Gleichgültigkeit trittfest, schlagfest, beleidigungsresistent sind. Kaffeeautomaten, die in ungewohnter Großzügigkeit Kaffee im Überfluss nach unten laufen lassen und man mit dem Unterstellen von weiteren Tassen kaum nachkommt. Wasserspender, die die weißen Becher völlig ignorieren und statt dessen die Kleidung des durstig vor dem Automaten Stehenden patschnass machen.
Welch eine Erfindung! Selbstständig, aus eigenem Antrieb (nach Einwurf einer Münze oder Karte) tätig werdende Maschinen, kein Verkäufer, kein Ansprechpartner, kein Beschwerdemanagement. Im besten Fall ignoriert einen die Maschine, verweigert die Geld- oder Kartenannahme, im schlimmsten Fall bekommt man die Kleidung versaut.
Oder muss Schwarzfahren!