Es gibt Dinge, die kann ich nicht vergessen. Obwohl ich will. Es ist mal wieder so ein Tag. Ein Tag des Nichtvergessens. Ich suche mein Fahrrad. Nachdem sämtliche Nachbarn sich bereits darüber mokiert haben, dass ich ihre sauberen Straßenlaternen mit meiner dreckigen Fahrradkette beschmiere, wechsel ich öfter den Standort. So hat jeder genügend Zeit, sich bis zur nächsten Aufreg-Attacke wieder zu beruhigen. Bloß ich bin ständig auf der Suche, weil ich von Mal zu Mal vergesse, an welcher Laterne das Fahrrad gerade hängt. Plötzlich bleibe ich stehen und spüre, wie mein Blutdruck ansteigt und der Wutschaum sich in meinem Hals ansammelt. Schnell schlucke ich noch, um nicht sofort das Plakat von dem Bauzaun runterzureißen und mit den Füßen darauf rumzustampfen.
Der Mistkerl ist im Fernsehen. Macht Karriere. Hat Erfolge über Erfolge. Mit dreisten, hinterhältigen und kriminellen Tricks boxt er alle zur Seite, die ihn auf dem Weg nach oben behindern. Intrigiert, schikaniert, erpresst und betrügt, was das Zeug hält.
Du hast es gewusst und trotzdem für ihn gearbeitet. Jetzt beschwer Dich nicht, wenn er Dich auch über den Tisch gezogen hat. Ein sich immer wiederholendes Selbstgespräch.
Aber jemand muss ihm das Handwerk legen.
Klar, aber nicht Du. Und schon gar nicht nach 6 Jahren. Wieso hörst Du nicht auf, daran zu denken?
Weil Frauen so sind. Nachtragend. Rachsüchtig. Sie vergessen nie.
Wie oft hatte ich den Hörer in der Hand, um ihm zu sagen, dass ich ihn fertig mache, ihn beim Finanzamt hinhänge, öffentlich seine Leseschwäche verbreite. Aus wäre es dann damit, zu intrigieren und hohe Sessel anzusägen. Kein Plätzchen wäre mehr da, um sich großkotzig in Szene zu setzen und als den Meistgefragtesten zu propagieren. Nie wurde etwas daraus.
Vielleicht sollte ich ihn erpressen? Ich bin begeistert. Die Idee. Schnell formuliere ich ein Schreiben an den Herrn. Entweder oder. Ein Binnenbrief. Binnen drei Tagen kann er es sich überlegen. Danach ist sein Ruf ruiniert. Sein Aufstieg schwenkt um zum Abstieg.
Mein Lebensgefährte legt mir ein Feature der Süddeutschen Zeitung hin. In USA wird kräftig an einer Vergessen-Pille geforscht. Allerdings nicht für so Leute wie mich. Traumatisierte Soldaten aus Kriegsgebieten sollen so schnell wie möglich wieder fit werden. Ich finde, die sollten zu Hause bleiben. Und ich sollte die Pille gegen das Vergessen kriegen. Es wird natürlich nix mit der Erpressung. Das Plakat hängt auch noch.