In der Bahn sitzt mir gegenüber ein junges Mädchen. Ihr Blick ist unruhig, sie sieht immer wieder auf ihr Handy. Ich genieße die vorbeifahrende Landschaft und denke nach. Dabei bekomme ich aus dem Augenwinkel mit, wie sie plötzlich wie wild an ihrem Handy herumfingert. Die Daumen fliegen in einem Affenzahn über die Tastatur und drücken, streicheln die kleinen Gummiknöpfe. Dann hält sie plötzlich inne, und auf ihrem Gesicht erscheint ein entspanntes Lächeln. Schnell jedoch weiten sich ihre Augen wieder, und das Gefingere geht wieder los. Immer abwechselnd erscheint Hektik und abwartende Ruhe auf ihrem Gesicht.
Plötzlich ein kleiner Schrei: So’n Mist! Wieso ist jetzt kein Netz?
Eine Katastrophe. Sie hämmert wie wild. Schaltet nervös das Ding aus. Dann wieder genauso nervös ein. Nix. Kein Netz. Ihr Gesicht rötet sich. Der Brustkorb hebt sich in kurzen Abständen. Keine Frage, sie hat gerade enorm hohen Bluthochdruck. Ich versuche, sie zu beruhigen. Es wird schon werden. Bald ist das Netz wieder da. Nein, das hatte sie schon öfter und immer dann, wenn es wichtig ist. Ja, klar, so spielt das Leben. Schauen Sie doch mal nach draußen, die Sonne scheint, man kann entspannen beim Zugfahren, sich ein paar Gedanken machen. Sie starrt mich an. Gedanken machen? Ich glaube, davon hat sie noch nie etwas gehört. Wahrscheinlich weiß sie gar nicht, was Gedanken sind.
Ich biete ihr meine Zeitung an. Nein, ihre Haare fliegen wild. Sie starrt beschwörend auf den kleinen Bildschirm. Komm endlich, los, mach. Aber das Netz lässt auf sich warten. Hat gerade keine Lust. Ich muss grinsen. Sie kramt in ihrer Tasche, da ist noch ein Handy. Aber sie klappt es gleich wieder zu. Die Karte ist ja leer. Und jetzt? Sie schaut sich im Abteil um. Will sie sich ein Handy leihen? Macht doch keinen Sinn, ihre SMS kann sie ja nur auf ihrem sehen. Oder will sie die Notbremse ziehen und den Wagen verlassen? Sie steht tatsächlich auf. Ich rutsche auf dem Sitz nach außen, das muss ich sehen. Was macht sie denn jetzt in ihrer Not?
Tatsächlich spricht sie einen Jungen an. Der gibt ihr sein Handy. Das scheint ein Netz zu haben. Wackelnd im Stehen fingert sie jetzt auf diesem Teil herum. Langsam entspannt sie sich wieder.
Als sie wieder mir gegenüber Platz nimmt, habe ich mein Handy in der Hand.
Sie haben ein Handy? Ja, sogar mit Netz.
Wie bei einem Süchtigen weiten sich ihre Augen und ihre Hände strecken sich bettelnd, sehnsüchtig in meine Richtung.