„Singlebörsen sind derzeit der Renner!“ Johanna, schreib doch mal etwas dazu. Dann machen wir einen Podcast draus. Ulla ist begeistert. Ich auch. Also schnell die vorliegende Arbeit zuende gemacht und los geht es.
Zuerst mal Recherche-Arbeit. Was gibt es denn alles im weltweiten Netz? Zack, S-i-n-g-l-e-b-ö-r-s-e in der Suchmaschine eingegeben. Und Schwupps lande ich auf einer Singlebörsen-Vergleich-Website. Aha, genau, das ist immens wichtig, geht es mir durch den Kopf. Denn wie schnell kann man da in üble Fänge geraten. Schon mal ein guter Einstieg. Leute, geht nicht auf irgendwelche Singlebörsen. Sucht Euch die bewerteten Teile aus. Mist, man kann gar nicht auf allen ohne Registrierung surfen. Und das muss ich unbedingt. Wie soll ich denn sonst einen Podcast mit Informationen machen?
Ha, da geht es. Ich schlendere von Profil zu Profil. Männer wie aus dem Bilderbuch, mit Bilderbuch-Berufen, Bilderbuch-Hobbys, Bilderbuch-Gesichtern, Bilderbuch-Gesundheit. Und natürlich wollen die auch Bilderbuch-Frauen. Auch die gibt es hier, und zwar zu Hauf. Ich erhebe mich langsam. Ein Blick in den Spiegel muss jetzt sein. Mhm. Nicht mehr jung eben.
Mein Lebenslauf? Einzelne Szenen laufen vor meinem inneren Auge ab. Auch nicht so der Hit. Beruf? Nicht Kunstschätzerin, nicht Hubschrauberpilotin und auch nicht Chef-Ärztin. Hobbys? Ja.
Ich setze mich wieder hin, der Rundgang durch mein Zimmer ist beendet. Das Nachdenken ist offenbar in die falsche Richtung gelaufen. Schluss jetzt. Recherche ist angesagt. Was gehen mich die tollen Menschen in den Singlebörsen an? Warum haben die eigentlich niemanden? So toll wie die sind! Die brauchen doch keine Singlebörse!
Tun es aber. Also, warum? Und das ist es, was die Hörer interessiert. Sagt Ulla. Gut, dann überlege ich mir das mal.
Zuerst muss ich aber noch schnell die drei anderen Börsen durchforsten. Ebenso tolle Menschen. Auch ältere. Über 60 Jahre. Ich bin baff. Die kommen mit dem Internet klar. Unvorstellbar, dass diese Damen und Herren ihre Enkel bitten, doch für sie mal ein Profil anzulegen, Mails zu schreiben oder gar zu chatten. Der Boom in den PC-Kursen für Senioren hat wohl offenbar einen ganz glasklaren Hintergrund, denke ich so. Sie wollen in die Singlebörsen. Was haben die denn früher gemacht? Na, Ball der Einsamen Herzen oder Kontaktanzeigen. Und jetzt flutscht das innerhalb von Minuten. Mails schicken, Augenzwinkern vergeben oder Küsschen oder was weiß ich und dann abends ab in den Chatroom. Mit dem Zweifinger-Suchsystem auf der Tastatur. Ach nein, die lernen doch sicher noch schnell das Tippen.
Schon lande ich auf der nächsten Singlebörse. Zwei Herren stechen mir richtig in die Augen. Da muss ich unbedingt mal näher hingucken. Zweimal geschieden, mhm, beziehungsunfähig. Frau soll anschmiegsam sein, okay, er will keine, die selbst denkt. Er möchte seine Angebetete mit Kulinarischem verwöhnen und natürlich noch mit anderen seiner vorzüglichen Qualitäten. Der will die Küche versauen, dann einen lebendigen Nachtisch und am nächsten Tag darf die Anschmiegsame die Töpfe von verkrustetem Essen ausschaben, angebackenes Essen von Tellern abkratzen, Fettspritzer von Fliesen und Boden wegscheuern. Am Abend wird sie dann wieder verwöhnt.
Einsamer Prinz. Wie bitte? Ist der adelig? Nein, er sucht sein Dornröschen. Zum Wachküssen. Mensch, ich klapp den Browser zu. Mir reicht’s. Der erste Eindruck hat getäuscht.
Jetzt weiß ich immer noch nicht, warum die das alle machen. Vielleicht hat Ulla eine Ahnung. Wir treffen uns sowieso morgen.
Später am Abend erlebe ich dann die Begegnung der Dritten Art. Mit meinem Lebensgefährten. Der hatte sich nämlich am Computer zu schaffen gemacht und so gaaaanz zufällig die Chronik durchgesehen. Meterweise Singlebörsen. Also, ich war das nicht! Nur Mut, denke ich mir.
Wer war denn den ganzen Nachmittag zu Hause? Heute? Siehst Du hier das Datum? Sein spitzer Finger droht den Bildschirm zu zerkratzen.
Podcast, Podcast! So ein Blödsinn, faucht er. Ulla muss helfen. Aber die ist gerade nicht zu Hause. Mensch, so ein Mist …